Q&A zum Filmförderungsgesetz
Bund und Parlament wollen ein neues Filmförderungsgesetz: Private Unternehmen müssen dafür neu 30 % ihres Angebots mit europäischen Werken füllen und zusätzlich 4 % ihres Umsatzes ins Schweizer Filmschaffen investieren. Qualität ist dabei egal.
Besteht überhaupt eine Nachfrage für Schweizer Produktionen? «Kein Mensch schaut Schweizer Filme», titelte der Tagesanzeiger am 27. Oktober 2021. Grund dafür war eine Untersuchung des Bundesamts für Statistik (BFS), die aufzeigte, dass das Angebot von Filmen und Serien aus der Schweiz zehnmal grösser ausfällt als die Nutzung derselbigen. Bei Filmen, die erst nach dem Kinostart auf Streamingportalen aufgeschaltet wurden, ist die Nutzung gar derart irrelevant, dass sie in der Statistik schon gar nicht mehr auftaucht. Entsprechend produ-ziert man komplett am Bedürfnis der Schweizer Bevölkerung vorbei – und will das nun noch weiter unterstützen, statt das System nachhaltig umzugestalten.
Fazit: Lex Netflix würde ein Angebot fördern, das von den Konsument:innen in der Schweiz gar nicht nachgefragt wird. Dies kommt einer kulturellen Planwirtschaft gleich.
Werden mit dem neuen Gestz nicht einfach gleich lange Spiesse geschaffen? Nein, ganz im Gegenteil. Die LexNetflix würde vor allem kleine Privatsender gegenüber dem SRF massiv benachteiligen. Aktuell ist es nämlich so, dass für niemanden eine Pflicht besteht, einen bestimmten Anteil der Bruttoeinnahmen für Produktionen aus einer spezifischen Region aufzuwenden. Das SRF hat als Staatsfernsehr zwar besondere inhaltliche Auflagen zu erfüllen, wofür der Sender jährlich auch weit über eine Milliarde aus dem Gebührentopf (Serafe) erhält, eine Quote für hiesige Produktionen kennt aber auch das SRF nicht. Mit der Lex Netflix wird eine solche Quote für Privats-ender eingeführt. Das SRF wird jedoch als einziger Anbieter von den neuen Regelungen ausgenommen. Auch in der Radiobranche existiert heute keine solche Quote. Entsprechende Vorstösse wurden in den Räten jeweils abgeschrieben.
Fazit: Es gibt heute keine Ungleichbehandlung zwischen den verschiedenen Anbietern, weshalb die LexNetflix auch nicht gleich lange Spiesse schaffen könnte.
Wird das Netflix-Abo in Zukunft teurer? Die neue Sonderabgabe betrifft neben lokalen Schweizer TV-Stationen und Telekomanbietern wie Salt, Swisscom etc. auch Netflix. Weil gefordert wird, dass 4% des Bruttoumsatzes (also nicht vom Gewinn) für Schweizer Produktionen aufgewendet werden müssen, ist es durchaus möglich, dass mit der Lex Netflix die Preise für sämtliche TV-Abos und Streamingdienste für Schweizer Konsu-ment:innen steigen werden. Fazit: Die Chance ist gross, dass Streaminganbieter, aber auch klassische on-demand-Anbieter die anfallenden Mehrkosten auf die Konsument:innen abwälzen.
Ist die Lex Netflix nicht im Interesse der Schweizer Allgemeinheit? Nein, wie eine Untersuchung der Uni Zürich zeigt, ist die Lex Netflix primär im Interesse der Schweizer Filmschaffenden. Ein Gesetz im Sinne der Allgemeinheit würde die Bedürfnisse der Konsument:innen ebenso stark berücksichtigen wie diejenigen der Filmschaffenden. So werden jedoch einfach Filmschaffende subventioniert und damit die «Konsumentensouveränität» verletzt. Die Untersuchung der Uni Zürich zeigt weiter, dass die Filmförderung effizienter und besser funktionieren könnte. Fazit: Mit der Lex Netflix werden gezielt die Partikularinteressen der Filmschaffenden bedient. Die Bedürfnisse der Konsument:innen bleiben dabei auf der Strecke.
Wieso soll es schlecht sein, wenn 30% des Angebots europäisch sein muss? Mit dieser Regelung wird die globale Gerechtigkeit torpediert. Die eurozentrische 30%-Quote verzerrt den internationalen Wettbewerb, in dem sie europäischen Produktionen einen unfairen Vorteil verschaff und dafür sorgt, dass Filmangebote aus Entwicklungsstaaten weniger oder sogar keinen Platz mehr erhalten. Dies entspricht einem überaus antiquierten Verständnis von freiem Wettbewerb, schränkt die Freiheit der Konsument:innen ein und legt den Schluss nahe, dass europäische Kultur der restlichen Kultur überlegen sei. Zudem ist es realitätsfern, einem privaten Unternehmen vorzuschreiben, welche Nationalität die Menschen haben, die dessen Produkte herstellen. Dies wäre in etwa so, wie wenn man jeder Flug-gesellschaft der Welt vorschreiben würde, dass sie nur in der Schweiz landen dürfe, wenn mindestens 30% ihres Bordpersonals einen Schweizer Pass besitzt oder dem italienischen Spezialitäten-handel auferlegen würde, dass 30% dessen Produkte aus der Schweiz stammen müssen.
Fördert die Lex Netflix nicht einfach die Schweizer Kultur? Nein, die Lex Netflix fördert nicht Schweizer Kultur, sondern sichert der Unterhaltungslobby millionenschwere Pfründe. Wenn z.B. Netflix einen Film über die Schweizer Alpen und das Leben in der Schweiz aus Sicht eines deutschen Regisseurs produziert, gilt dies gemäss der Lex Netflix nicht als «Schweizer Produktion» und wird deshalb auch nicht gefördert, obschon sie einen kulturellen Mehrwert für die Schweiz bieten würde. Immerhin wurden sogar Klassiker wie Wilhelm Tell oder Heidi von deutschen Autoren geschrieben. Es handelt sich bei der Lex Netflix also um eine rein protektionistische Vorlage, die Wirtschaftsförderung für ein Nischenprodukt der Kunst — den Film — betreibt. Alle anderen Bereiche der Kultur wie die Musik, Lyrik, Kunst etc. gehen komplett leer aus. Fazit: Bei der Lex Netflix handelt es sich um geschickte Lobbyarbeit, die nicht zur Kultur in der Schweiz beiträgt, sondern der Unterhaltungsindustrie noch höhere Subventionen verschaffen soll.
Wieso wird das Gesetz als Anti-Entwicklungshilfe-Gesetz bezeichnet? Zu einer kohärenten Entwicklungspolitik gehören auch der Verzicht auf Exportsubventionen und ein gesicherter Zugang für Entwicklungsländer zum europäischen und Schweizer Markt. Die eurozentrische Quote von 30% führt jedoch faktisch zu einer Erschwerung dieses Zugangs. Gerade für Länder wie Nigeria, wo die Filmindustrie ein wichtiger Wirtschaftstreiber ist, kann eine solche Quote weitreichende Folgen haben. Fazit: Die Lex Netflix sichert der hiesigen Filmindustrie ihre Pfründe, ohne sich dem nötigen und aus grünliberaler Sicht wünschenswerten Wettbewerb mit anderen Regionen aussetzen zu müssen.
Ist den Jungen Grünliberalen Kultur nicht wichtig? Die Lex Netflix folgt einem verkürzten Kulturverständnis. Kultur ist wichtig, beschränkt sich jedoch nicht nur auf (Kino-) Filme, wie die Lex Netflix. Kultur schliesst unter anderem auch Kunst, Literatur, Lebensformen, die Grundrechte des Menschen, Wertsysteme, Traditionen und Glaubensrichtungen mit ein. Kultur spiegelt den Zustand der Gesellschaft, fördert die Entwicklung und das Überliefern von Traditionen und ist ein Innovationstreiber. Wir anerkennen die wichtige identitätsstiftende Funktion der Kultur. Gerade in Zeiten der Globalisierung und des Umbruchs bietet sie Orientierung und lehrt uns zugleich, die Welt differenziert zu erfahren. Kultur ist bis zu einem gewissen Grad ein öffentliches Gut, deren Förderung soll auch in diesem Masse durch die Allgemeinheit erfolgen und nicht an Private delegiert werden, wie es die Lex Netflix will. Kultur hat jedoch keinen Selbstzweck, sondern muss durch die Menschen erfahren/gesehen werden, damit der Zweck erfüllt werden kann. Bei der aktuellen Filmförderung findet dieser Aspekt keine Bedeutung. Man investiert Millionen in Produktionen, die gar niemand schauen will. Fazit: Die Lex Netflix folgt einem verkürzten Kulturverständnis und fördert nur ein Nischenprodukt unserer Kultur, nämlich den Film. Alle anderen kulturellen Angebote gehen leer aus.
Wie schadet die Lex Netflix der Medienförderung? Die Lex Netflix trifft auch Schweizer Medienunternehmen wie zum Beispiel CH-Media (Luzerner Zeitung, 3+, Aargauer Zeitung, etc.) oder Tele Basel und ähnliche. Mit dem Medienförderungsgesetz fördert der Bund die Medienkonzerne in der Schweiz mit Millionen an Steuergeldern. Mit der Lex Netflix würden dieselben Medienunternehmen jedoch gleich wieder zur Kasse gebeten, indem sie 4% ihres Umsatzes an die Filmförderung abtreten müssen. Es ist absolut unsinnig und finanzpolitisch höchst ineffizient, wenn man das Kalb vorne füttert und hinten schlachtet. Fazit: Mit der Lex Netflix würde der Staat den Schweizer Medienunternehmen wegnehmen, was er ihnen zuvor gegeben hat. Es entsteht ein Kreislauf zu Gunsten der Filmlobby, der vom Steuerzahler berappt werden muss.